Ludwig II., König von Bayern von 1864 bis 1886, ist der Nachwelt als verträumter bis bizarrer Märchenkönig in Erinnerung geblieben. Der Bauherr von Schloss Neuschwanstein galt gegen Ende seines nur 40 Jahre währenden Lebens als weltfremd und schizophren. Was die meisten gar nicht wissen, ist, dass Ludwig ein ausgesprochen moderner Technik-Freak war.
König Ludwig II. als Technikliebhaber
Otto Friedrich Wilhelm Ludwig von Bayern hatte kein leichtes Leben. Schon als Junge litt er unter der Kälte und Strenge seines Vaters Maximilian. Seine einst geliebte Mutter Marie wendete sich von ihm ab, als er eine intensive Freundschaft mit dem damals in noblen Kreisen sehr unpopulären Komponisten Richard Wagner einging und seine Regierung hielt den sensiblen König für einen wenig durchsetzungsstarken Schwächling.
Rückzug in die Märchenwelt
Frustriert vom Leben und schockiert von Kriegen und Auseinandersetzungen im eigenen Reich und in Europa zog sich der König in seine ganz eigene märchenhafte „perfekte“ Welt zurück. Er träumte von der absoluten Monarchie, wie sie einst sein Vorbild, der Sonnenkönig Ludwig XIV. besessen hatte. Doch der König von Bayern war dann doch gar nicht so weltentfremdet, wie man meinen sollte. Er liebte die moderne Technik und war „up-to-date“, was Elektrotechnik, Dampfmaschinen und Pneumatikantriebe anging.
Leuchttechnik
Das war zu seiner Zeit schon allerhand, denn immerhin hatte ein Herr namens Pawel Jablotschkow erst 1876 (Ludwig war 31) die erste Glühbirne zum Leuchten gebracht. Sie brannte etwa 90 Minuten gleißend hell, verglühte dann und bewies, dass die Technik noch nicht ausgereift war. Erst 1880 sollte ein Herr namens Thomas Alva Edison in den USA die erste massentaugliche Glühbirne zum Patent anmelden. Da hatte ein Monarch in Bayern bereits ausgefeilte Leuchttechnik in seinem Schloss.
Nachdem er München schon lange satt gehabt hatte, pendelte der exzentrische König zwischen Schloss Linderhof in Ettal, Schloss Berg am Starnberger See und Schloss Hohenschwangau im gleichnamigen Ort Schwangau nahe Füssen.
Der König machte sich rar
Ab Mitte der 1870er Jahre hatte sich der traurige Monarch von seiner Staatsregierung, Generälen und Bevollmächtigten weitestgehend zurückgezogen. Ludwig entzog sich dem, was er nicht mochte und nahm, wann immer möglich, nur noch über den Telegrafen erreichbar an den Staatsgeschäften teil. Zu seinen Zeiten wäre das mit der ständigen Erreichbarkeit (aber persönlichen Abwesenheit) des Staatsoberhauptes via Smartphone vergleichbar gewesen.
Technischer Fortschritt
In seine bevorzugte Sommerresidenz Schloss Linderhof hatte sich Ludwig 1876 eine illustre Venusgrotte einbauen lassen. Die moderne, mit Zement überzogene Eisenkonstruktion verfügte über eine Wellenmaschine, einen elektrischen Regenbogen-Projektionsapparat und eine von 24 Dynamomaschinen betriebene elektrische Beleuchtungsanlage. Eingebaut hatte das „erste fest installierte Kraftwerk der Welt“ im Jahr 1878 hochmoderne Sigmund Schuckert Elektrizitätswerk aus München – Edison bastelte da noch an der Glühbirne für Jedermann!
In seinem Schlafzimmer in Hohenschwangau ließ sich der König schon 1864 eine Felsengruppe einbauen, über die ein mit modernster Technik erzeugter Wasserfall strömte. Auch in diesen romantischen Räumlichkeiten hatte der Ausnahme-Regent einen Apparat zur Erzeugung eines künstlichen Regenbogens und einen für einen Nachthimmel mit Mond und Sternen.
Innovative Ausstattung im Schloss Neuschwanstein
Schon lange hatte Ludwig von einem Bauwerk geträumt, das er ganz nach seinen Vorstellungen errichten konnte.Geplant war der Burgneubau weniger als repräsentatives Anwesen für Staatsempfänge und Festlichkeiten. Die „Neue Burg Hohenschwanstein“ sollte vielmehr eine bewohnbare Theaterkulisse sein. Als „Freundschaftstempel“ sollte die neue Burg auch dem Leben und Werk Richard Wagners huldigen. Teil der Tragik rund um das Leben, Träumen, Bauen und Sterben des Königs ist, dass Wagner das Schloss niemals betreten hat. Auch der einsame König hatte nur 172 Tage Freude in seinem Tempel. Dann holte ihn die Realität in seinem Märchenschloss auf bittere Weise ein.
Inspirationen für den Bau
Die Idee zum Schlossbau könnte dem König schon in seiner Kindheit gekommen sein. Oft weilte der junge Ludwig II. im gegenüberliegenden Schloss Hohenschwangau. An der Stelle des Neubaus standen zu diesen Zeiten zwei alte Burgruinen. Auf deren Grundmauern ließ der Märchenkönig ab 1869 sein Traumprojekt verwirklichen.
Arbeit mit Lastkränen
Zur damaligen Zeit glich es schon einem Kraftakt, das viele Material auf das Plateau zu schaffen (das Auto gab es noch nicht) und die Bauarbeiten an diesem exponierten Ort durchzuführen. Dennoch konnte die ungewöhnliche Technikverliebtheit des Königs die Arbeiten erleichtern. Den Arbeitern standen zwei mit Dampfmaschinen betriebene Lastkräne zur Verfügung.
Beleuchtung
Beim Richtfest im Jahre 1880 waren 6000 qm auf verschiedenen Ebenen fertiggestellt und bereits größtenteils eingerichtet. Ludwig II. ließ die meisten Räume in Motiven seiner Lieblingsopern und Kompositionen Wagners bemalen und dekorieren. Einige dieser Räume besaßen eine Ausstattung und Beleuchtung mit teuren Glühbirnen. Ob er jemals vorhatte, diesen Prunk Besuchern zu zeigen, ist heute nicht mehr bekannt. Der König baute das Schloss fast ausschließlich für sein eigenes Vergnügen und natürlich für jede Menge Dienstboten.
Fließendes Wasser und Lebensmittelaufzug
Seine Diener, Hilfskräfte, Köchinnen und Köche durften sich über fließendes Wasser auf allen Stockwerken freuen. In der Küche stand sogar fließendes Heißwasser zur Verfügung, was zu damaligen Zeiten selbst in Adelskreisen noch nicht dem Standard entsprach.
In der Neuschwansteiner Küche drehte ein kleiner Rumfordherd die Fleischspieße des Königs. Der Herd trieb durch seine Eigenwärme den Spieß an, sodass das Fleisch für den Monarchen von allen Seiten gleichmäßig garte.
Dafür, dass das Fleisch und andere Speisen auch wirklich heiß beim König ankamen, sorgte ein Lebensmittelaufzug. Fehlte dem Herrscher noch etwas, läutete er über eine elektrische Klingelanlage nach seinen Dienern. Die Räume der oberen Stockwerke besaßen sogar einen Telefonanschluss.
Heiztechnik und Spülung
Der König saß derweil nicht vor einem knisternden Kaminfeuer. Ludwig hatte auch hier auf seinerzeit hochmoderne Technik gesetzt und in den wichtigsten Räumen eine moderne Heißluft-Zentralheizung einbauen lassen. Zudem verfügte das Örtchen („Kabinett“), auf dem auch nobelste Monarchen ab und an ganz weltliche Dinge verrichteten, über eine automatische Spülung, die ansprang, wenn sich der König erhob.
Besonderheiten von Schloss und König
Im Gebäude selbst kamen weitere technische Raffinessen zum Einsatz. Um die Statik des Gebäudes zu sichern, kamen hochmoderne Doppel-T-Stahlträger zum Einsatz. Die Säulen im Thronsaal sehen nur massiv aus, bestehen aber in Wahrheit aus gusseisernen, mit Stuckmarmor verkleideten Rohren. Die Kuppeln des Thronsaals wurde nicht nach altem Vorbild aus Ziegelmauerwerk hergestellt. Sie entstanden kostengünstig aus einem mit Drahtgeflecht überzogenen Eisengerüst, das später verputzt wurde.
Teures Vergnügen
Trotz dieser sparsamen Bauweise verschlang das Schloss eine unglaubliche Summe. Ludwig hatte den Bau von Neuschwanstein aus seiner eigenen Tasche bezahlt. Öffentliche Gelder kamen nicht zum Einsatz. Die Bauarbeiten hielten bis zum Tod des Königs im Jahr 1886 an. Sie beliefen sich auf 6,18 Millionen Mark, veranschlagt waren bei Baubeginn 3 Millionen.
Ludwig hatte sich schwer verschuldet. Trotz privater Gönner und guten Beziehungen zu Banken, wurde dem König die Verschwendung und nahende Pleite wohl zum Verhängnis.
Geistige Gesundheit
Durch den Bauwahn und die zunehmenden Absonderlichkeiten des Herrschers hielt die Staatsregierung ihn für unzurechnungsfähig. Ein Komitee wollte den König im Juni 1886 entmündigen lassen. Kurz später fand dies auch statt und der Onkel des Herrschers übernahm die Führung Bayerns. Ludwig entzog sich einmal erfolgreich einem Verfahren zur Überprüfung seiner geistigen Gesundheit, willigte schließlich doch noch ein und verschwand dann für immer.
Man fand seine Leiche am 12. Juni desselben Jahres im Würmsee (heute Starnberger See). Offiziell soll sich der Monarch selbst getötet haben oder bei einem Fluchtversuch tödlich verunglückt sein. Man schließt aber auch ein Attentat nicht aus. Die Umstände um Ludwigs Tod wurden nie ganz geklärt. Heute sind der „Kini“ und sein Märchenschloss Kult. Zum Ludwig Schloss Neuschwanstein wurde das Schloss erst nach dem Tod des Königs. Ludwig selbst hatte den Bau sein Leben lang Neue Burg Hohenschwanstein genannt. Den Schwan als Wappen des Gebäudes gab es von Beginn an.
Kann man das Schloss besichtigen?
Schon sieben Wochen nach dem Tod des Königs wurde das Ludwig Schloss Neuschwanstein für Besucher geöffnet. Der Andrang war ebenso groß, wie die Schulden, die abbezahlt werden mussten. Der tragische Tod des Königs und die monatelange Gerüchteküche um den Bau des Prestigeobjekts hatten Bürgerliche und Adelige gleichermaßen neugierig gestimmt. Seitdem gibt es ein ungebrochenes Interesse an einem der faszinierendsten Gebäude dieser Welt.
Geführte Tour
Das Ludwig Schloss Neuschwanstein ist eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands und in der ganzen Welt bekannt. Jährlich reisen Millionen Menschen aus allen nur erdenklichen Ländern dieser Erde an, um den Traum des Königs zu bewundern. Besucher werden beispielsweise im Rahmen einer geführten Neuschwanstein Castle Tour durch die Anlage geleitet. Geöffnet ist das Schloss ganzjährig und täglich von 9 bis 18 Uhr.
In den Sommermonaten Juli und August ist der Andrang besonders groß. Dann kommt es schon mal zu Wartezeiten vor dem Schloss.
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