Sicher können Sie sich noch daran erinnern, was es heute bei Ihnen zum Mittagessen gab. Vielleicht haben Sie noch im Kopf, welches Essen Sie auf Ihrer Hochzeitstafel hatten. Wichtige Ereignisse verschwinden bekanntlich nicht allzu einfach aus den Erinnerungen. Wissen Sie aber auch noch, welches Frühstück Sie am Tag X vor 20 Jahren gegessen haben? Es soll Menschen geben, die genau das können. Es scheint fast so, als wäre deren Gehirn ein Festplattenspeicher, von dem sie die Daten immerzu abrufen können.
Was zeichnet ein autobiographisches Gedächtnis aus?
Das autobiographische Gedächtnis, auch episodisches Gedächtnis, speichert all unsere persönlichen Erlebnisse ab und hilft uns, dass wir uns orientieren können. Die menschliche Persönlichkeit wird weitestgehend vom autobiografischen Gedächtnis geprägt. Es reflektiert die Lebensgeschichte eines jeden Menschen.
Bei Erwachsenen ist das autobiographische Gedächtnis zu einem neuronalen Netzwerk verknüpft, wozu auch die präfrontalen Gehirnareale und der Hippocampusbereich gehören. Diese Gehirnregionen aktivieren sich bei Erwachsenen und Kindern verschieden. Um ein bestimmtes vergangenes Ereignis abzurufen, nutzen Erwachsene und Kinder ähnliche Gehirnareale, doch einige dieser sind bei den Erwachsenen deutlich aktiver.
Neurowissenschaftler fanden heraus, dass die Strukturen des Gehirns, die mit dem autobiografischen Gedächtnis verbunden sind, im Laufe der Kindheit bis in die frühen 20-er eines Menschen starken Prozessen des Auf- und Abbaus unterworfen sind.
Erinnerungen verarbeiten
Das autobiographische Gedächtnis kann als menschliches Selbstbild bezeichnet werden. Es spricht die Hirnrindenbereiche an, die Teil des Ruhezustandsnetzwerks sind. Wenn Sie sich Erlebnisse in Erinnerung rufen, erzählen Sie sich diese sozusagen neu. Je öfter Sie über ein Geschehnis sprechen, umso semantischer erscheint uns diese Erinnerung. Mit zunehmendem Alter verschiebt sich die Aktivität der Hirnrinde im Erinnerungsvorgang vom sensorischen, hinteren Hirnbereich in den ordnenden, vorderen Hirnbereich.
Erinnerungen werden im Hirnarealnetzwerk als Muster der neuronalen Aktivität abgelegt. Wenn Sie also etwas Erlebtes abrufen möchten, müssen Sie dieses Muster wieder aktivieren. Dabei kann es sich leicht abändern.
Infantile Amnesie
Ab drei oder vier Jahren entwickeln sich außer Gehirn und Sprache auch Routinen und kognitive Konzepte wie Ort und Zeit. Diese helfen Kindern beim Kennenlernen der Welt. Für ihr autobiografisches Gedächtnis ist das sehr wichtig, weil sie so erste Eindrücke von ihrem Alltag sammeln. Sie können dann bestimmte Ereignisse abgrenzen, sodass eine bessere Erinnerung möglich ist. Das ist umso erstaunlicher, weil die Psychologie sagt, dass die Mehrheit der Erwachsenen kein Erinnerungsvermögen an die Erlebnisse vor ihrem dritten Lebensjahr hat. Das ist als infantile Amnesie bekannt.
Erfahrungen formen das Gedächtnis
Wenn sich die Sprache entwickelt, entsteht das autobiografische oder auch episodische Gedächtnis. Das Erinnern an Episoden und das Erzählen darüber bildet das Ich-Bewusstsein aus. Die Entwicklung des Selbst und des Gedächtnisses sind Prozesse, die also miteinander verbunden sind. Wenn Ihnen klar wird, dass das Gedächtnis alle Erfahrungen eines Individuums umfasst, werden Sie sich darüber nicht wundern.
Die Gedächtnisentwicklung lässt sich im Gegensatz zur Selbstentwicklung besser methodisch untersuchen und konnte daher gründlicher erforscht werden. Die Gedächtnisentwicklung durchläuft verschiedene Stadien, die mit den Wachstumsstufen unseres Gehirns zusammenhängen. Ihr autobiografisches Gedächtnis stellt also eine bewusste und lang andauernde Erinnerung an eine selbst erlebte Situation dar und ist gleichzeitig auch der Erinnerungsprozess selbst. Die Organisation des autobiografischen Gedächtnisses setzt also das Vorhandensein eines Selbstkonzeptes voraus, in welchem Erinnerungen abgespeichert werden.
Wie funktioniert dieses Gedächtnis?
Es gibt nicht einfach nur den Begriff Gedächtnis. Genauer definiert heißt es, dass das dieses Wort sämtliche Systeme und Prozesse umfasst, die der Mensch zum Abspeichern, Aufbewahren, Abrufen sowie Anwenden von Informationen verwendet, wenn die Ursprungsquelle einer Information unaufrufbar ist. In den Bereich dieser Informationen fallen Wörter, Bilder, Gerüche, Geräusche, Informationen aus dem eigenen Leben, irgendein Wissen sowie spezifische Kenntnisse. Die Muttersprache und die Motorik zählen ebenfalls dazu. Es gibt zwei Arten des Gedächtnisses: das Kurz- und Langzeitgedächtnis.
Kurzzeitgedächtnis
Im Kurzzeitgedächtnis speichern wir Menschen Inhalte nur vorübergehend. Sie benötigen es beispielsweise zum Preisvergleich verschiedener Artikel im Lebensmitteleinzelhandel.
Wenn Sie sich nur einen kurzen Augenblick auf eine andere Sache konzentrieren, verschwinden alle im Kurzzeitgedächtnis abgelegten Inhalte wieder. Sie können folglich einen neuen Preisvergleich durchführen.
Langzeitgedächtnis
Im Langzeitgedächtnis speichern wir sämtliche Inhalte, die wir einen längeren Zeitraum benötigen. Die Erinnerung an diese bleibt auch bestehen, wenn Sie Ihre aktuelle Aufgabe unterbrechen und andere Dinge erledigen.
Der Aufbau des Langzeitgedächtnisses
Unser Langzeitgedächtnis ist in prozedurales und deklaratives Gedächtnis gegliedert. Die Art des Schwimmens stellt einen Prozess dar und wird Teil des prozeduralen Gedächtnisses. Das deklarative Gedächtnis umfasst Inhalte, die Sie bewusst abrufen können. Dieser Teil des Gedächtnisses wird noch einmal in semantisches sowie episodisches Gedächtnis unterteilt.
Im semantischen Gedächtnis sind Begriffsbedeutungen, zum Beispiel Namen, erfasst. Im episodischen Gedächtnis werden Ereignisse abgespeichert. Ein Sonderfall hierbei ist das bereits erwähnte autobiografische Gedächtnis. Hier besteht ein Bezug zur eigenen Lebensgeschichte. In der Zukunft geplante Dinge werden im prospektiven Gedächtnis gespeichert.
Positive sowie negative Geschehnisse
Das autobiografische Gedächtnis kann positive, aber auch negative Erlebnisse speichern. Sie können sich demzufolge an kuriose Momente, Ihren Schulabschluss, einen Unfall oder an Momente voller Glück erinnern. Dieses Gedächtnis hilft Ihnen dabei, komplexe Erfahrungen im Alltag zu speichern und räumlich sowie zeitlich zuzuordnen.
Das episodische Gedächtnis als Ich-Bewusstsein
Unser autobiografische Gedächtnis stellt das bedeutendste Werkzeug dar, wenn wir uns selbst erleben wollen. Alle Menschen lernen und wachsen durch ihre Erlebnisse und Erfahrungen. Wenn Sie sich an Vergangenes erinnern, wird ihr Gehirn innerhalb von zwei Regionen aktiv:
- rechte Gehirnhälfte: Schläfen- und Stirnlappen (zuständig für Erlebnisse und Fakten)
- teilweise limbisches System (Erlebnisse werden emotional bewertet)
Hieraus spricht, dass wir sehr auf Störungen und Traumata, deren Auslöser negative Erlebnisse sind, reagieren. Das autobiografische Gedächtnis ermöglicht die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen vergangenen Erlebnissen sowie dem Planen zukünftiger Schritte. Es gibt Ihnen einen Schlüssel in Ihre Vergangenheit und in Ihre Zukunft in die Hand. Wissenschaftler nehmen an, dass auch Tiere über ein solches Gedächtnis verfügen.
Kann man sich ein autobiografisches Gedächtnis antrainieren?
Unser episodisches Gedächtnis ist vielerlei Einflüssen ausgesetzt. Zu diesen zählen Erkrankungen, eine schwach ausgeprägte Merkfähigkeit sowie eine schlechte Gedächtnisleistung. Mit einem Gedächtnistraining sind Sie in der Lage, Ihr autobiografisches Gedächtnis sowie weitere Gedächtnisbereiche zu trainieren. Die Folge ist eine erhöhte Merkfähigkeit und eine leichtere Wissenserweiterung. Sie können sich besser konzentrieren, verfügen über ein besseres Sprach- und Zahlenverständnis und mehr Logik.
Gleichzeitig ist Ihnen ein bewussterer Umgang mit neuartigen Informationen möglich, sodass Sie möglichst viele Informationen in Ihrem Gedächtnis abspeichern können, die bei Bedarf jederzeit abrufbar sind. Ein Gedächtnistrainer ist etwas für Ihr Gehirn, denn jeder Informationsabruf und jede Speicherung ist ein Gehirntraining.
Gedächtnistraining
Auch Gedächtnisspiele sind eine Hilfe. Bei Memory verknüpft Ihr Gehirn Bilder mit Emotionen oder Erinnerungen. Die Förderung des vernetzten Denkens ist hier wichtig. Sie verbinden diverse Erlebnisse miteinander, statt dass Sie Erinnerungen an nur ein einziges Erlebnis abrufen. Unterstützend nutzen Sie Ihr prozedurales Gedächtnis, was Ihnen die Ausführung von Bewegungen ermöglicht. Sie können an Lebensabschnitte denken, in denen Sie Laufen, welches uns ermöglicht, Schwimmen oder Autofahren erlernt haben.
Aber auch mithilfe der Gegenwart können Sie Ihr Gedächtnis. Neuerlerntes können Sie als Besonderheiten in Ihrem Gedächtnis ablegen. Das prägt sich ein. Mit der Assoziationstechnik verknüpfen Sie Wissen mit Bildinformationen und geben das Gelernte über diese Bildinformationen wieder. Wenn Sie effektiv und effiziente Ihr Gedächtnis trainieren wollen, erinnern Sie sich idealerweise sehr detailgetreu an ein vergangenes Erlebnis oder prägen Sie allgemeine Gedächtnisübungen und aktuelle Lernmethoden.
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